BENSHEIM. "Was wir wollen ist Bildung und Fortschritt für Frauen", formulierte Sadia Rana die Ziele der Frauengruppe Lajna Imaillah und führt den Anspruch auf Geschlechtergerechtigkeit auf den Religionsgründer zurück. 

Rana führte als Moderatorin durch eine Informationsveranstaltung zum Thema, "Die Stellung der Frau im Islam". Eingeladen hatten die Frauen der Bergsträßer Ahmadiyya-Gemeinde in die Bashier-Moschee nach Bensheim.

Der 1922 gegründeten, selbstständigen und eigenverantwortlich arbeitenden Frauenorganisation der islamischen Reformgemeinde gehören im Kreis 130 Mitglieder an. Die "Vereinigung der Dienerinnen Gottes" unterhalten in Frankfurt ein Gästehaus für in Not geratene Frauen und haben in Berlin die erste Moschee im Osten der Stadt ermöglicht.

Auf einer Ebene mit dem Mann

Gülay Wagishauser, nationale Beauftragte für den interreligiösen Dialog, Mutter und studierte Informatikerin, zitierte zu Beginn ihres Referats eine Studie des Demoskopischen Instituts Allensbach, wonach die überwältigende Mehrheit in Deutschland den Islam mit Benachteiligung der Frauen, Fanatismus, Intoleranz und Gewaltbereitschaft gleichsetze.

Für Wagishauser eine "Paradoxie". Schließlich sei die spirituelle islamische Revolution im 7. Jahrhundert "bahnbrechend" gewesen und habe der Frau in Arabien ihre Menschenwürde gegeben und sie auf die gleiche Ebene wie die des Mannes gehoben. In der vorislamischen Zeit hingegen habe die Frau in arabischen Ländern als minderwertig, die Geburt einer Tochter als Schande gegolten. Die Frau sei Sklavin des Mannes gewesen und ohne Rechte.

Mit scharfen Worten kritisierte Gülay Wagishauser aber auch, dass in China und Indien noch immer weibliche Föten abgetrieben und weibliche Kleinkinder ermordet werden - und dass auch heute islamische Frauen ihrer Rechte beraubt werden. "Die Ursache hierfür liegt nicht im Islam. Es gibt nicht den einen Islam. Aber es gibt unterschiedliche Glaubensrichtungen und Länder, in denen Frauen unterdrückt werden". Im Koran stehe ausdrücklich, dass Gott die Menschen aus einem Wesen erschaffen habe. Auch von Steinigungen sei nicht mit einem Wort die Rede.

Der Heilige Prophet Muhammad selbst habe sich gegen vielerlei Widerstände für Mann und Frau als eine Einheit starkgemacht und Frauen zur Freiheit verholfen: Wer seiner Tochter eine gute Bildung und Erziehung zuteilwerden lasse, der erwerbe sich ein Anrecht auf das Paradies, heißt es im Koran. Gülay Wagishauser sprach aktuell vom islamischen Feminismus und dem Aufstand gegen das Patriarchat.

Der Vortrag der jungen, selbstbewussten Muslimin animierte die Zuhörerinnen zu zahlreichen Fragen. Sie selbst, so Wagishauser, sehe ihre Bestimmung als Ehefrau und Mutter - in Abstimmung mit ihrem Ehemann - in der Erziehung der Kinder. Gleichwohl bewundere sie Frauen, die arbeiten gehen, für die Kindererziehung verantwortlich sind und den Haushalt schmeißen. Für ihre Glaubensgemeinschaft, so stellte sie klar, komme eine Hochzeit nach islamischer Tradition nur im Anschluss an eine standesamtliche Trauung infrage. "Wir wohnen hier und fühlen uns wohl. Wir fiebern mit, wenn Deutschland Fußball spielt. Wir sind Deutsche."

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Brigitte Paddenberg, Ausländerbeauftragte des Kreises Bergstraße, auf die hohe Bildungsmotivation von Migrantinnen hingewiesen. Paddenberg appellierte an die Frauen, die Vielzahl von Angeboten, seien es Deutschkurs oder Austauschforen, als Chance zu nutzen und diese anzunehmen. gs

© Bergsträßer Anzeiger, Dienstag, 24.09.2013

Quelle: Originalartikel, morgenweb